Soziale Medien und Investor Relations – passen so unterschiedliche Formen der Kommunikation überhaupt zusammen? Was hat schon die berühmt-berüchtigte „Leichtigkeit des Seins“ in den Sozialen Medien, wie zum Beispiel Facebook, Twitter oder Youtube, mit der extrem regulierten Realität der Investor Relations gemeinsam? Liegen Soziale Medien und Investor Relations nicht Welten auseinander?
Investor Relations und Soziale Medien sind kompatibel
In der Tat: Die Investor Relations unterliegen einem starren Korsett von Regelungen und Gesetzen – wer hier agiert, bewegt sich auf einem wahren juristischen Minenfeld. Da kann eine unbedachte und vielleicht sogar widerrechtliche Kommunikationshandlung schon einmal einen wirtschaftlichen Supergau zur Folge haben. Anleger, Fachjournalisten und Börsenanalysten verzeihen keine Fehler. Sehr wichtig ist zum Beispiel, dass die Aktionäre bei der Herausgabe von kursrelevanten Informationen völlig gleich behandelt werden. Unterschiede in der Geschwindigkeit oder dem Umfang der von der Aktiengesellschaft an die Aktionäre gelieferten Informationen sind gesetzlich streng untersagt. Die Sozialen Medien hingegen leben geradezu von der schnellen und sorglosen Kommunikation. Keine guten Voraussetzungen also für eine sinnvolle Verbindung möchte man meinen. Aber weit gefehlt: Immer mehr börsennotierte Unternehmen stellen sich der Herausforderung und treten erfolgreich in den sozialen Medien auf. So werden zum Beispiel Links zu einer Pressemitteilung, welche auf der eigenen Website publiziert wurde, einfach getwittert, um sie schneller zu verbreiten. Warum dies so ist, liegt auf der Hand: Die Unternehmen haben erkannt, dass auch Anleger soziale Wesen sind, die sich im Internet aufhalten und Soziale Medien nutzen. Deshalb muss man sie auch genau dort abholen. Börsennotierte Unternehmen verlassen sich immer weniger ausschließlich nur auf klassische Investor Relations-Kanäle, wie zum Beispiel Bilanzpressekonferenzen oder Roadshows.
Die Reichweite der Investor Relations wird durch Soziale Medien größer
Dies soll nun nicht heißen, dass die klassischen Kanäle der Finanzkommunikation überflüssig geworden sind. Genau das Gegenteil ist der Fall: Alle klassischen Investor Relations-Maßnahmen müssen auch weiterhin durchgeführt werden. Jedes börsennotierte Unternehmen ist gut beraten, die klassischen Kanäle der Investor Relations genauso sorgfältig und gewissenhaft zu bedienen, wie vor dem Aufkommen der Sozialen Medien. Aber die Sozialen Medien stellen der IR-Kommunikation zusätzliche Möglichkeiten der direkten und zeitnahen Kommunikation zur Verfügung. Wer seine Quartalszahlen in Facebook oder in den relevanten Blogs veröffentlicht und kommentiert, kann auch sofort die Reaktion der Shareholder beziehungsweise der Stakeholder erfahren. Wenn man aber die Reaktionen auf den eigenen Auftritt sorgfältig analysiert, hat man sein Ohr am „Puls der Zeit“. Soziale Medien stellen ein wichtiges Instrument zum Auffangen und Analysieren von Stimmungen und Trends dar. Offene Kommunikation ist daher auch immer eine Art Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen und Missstimmungen. Aber genau das ist nicht immer schön: Investor Relations-Beauftragte müssen starke Nerven haben, wenn sie in den Sozialen Medien mit aggressiven Kritikern und unzufriedenen Aktionären kommunizieren. Aber auch wenn die die Kritik hart ist: Zuhören und mit den jeweiligen Teilöffentlichkeiten kommunizieren lohnt sich für ein Unternehmen immer. Zu groß ist der Gewinn an Authentizität und Reputation, wenn man offen und ehrlich mit der Kritik umgeht. Und groß ist auch der Gewinn an Informationen, an die man im Normalfall gar nicht gelangt wäre. Gerade die Meinungen und Kenntnisse der Kritiker sind Gold wert. Nichts ist wichtiger, als dass die Kommunikation von einem „persönlichen Gegenüber“ durchgeführt wird und nicht von einem mehr oder weniger anonym agierenden IR-Berater. Dazu kommt, dass sowohl die Investor Relations-Kommunikation als auch die eigenen Produkte und Dienstleistungen durch die direkt in den sozialen Medien geäußerten Vorschläge der Financial-Community verbessert werden können. Außerdem verfügen Soziale Medien über einen weiteren erheblichen Vorteil: Sie sind in der Benutzung kostenfrei. Hier entfällt der ressourcenintensive Aufbau und die Pflege von Presseverteilern oder der teure Druck von Hochglanzbroschüren.
Fallen vermeiden durch eine gute Gesamtstrategie
Ein Facebook-Account oder ein Twitter-Zugang sind schnell eingerichtet und sofort betriebsbereit. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schwierigkeiten bei der Verwendung Sozialer Medien nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wer bei Sozialen Medien nicht den richtigen Ton in der Ansprache der jeweiligen Community findet, ist gewissermaßen sofort „unten durch“ und macht sich zum Gespött der Netzwelt. In diesem Fall ist ein Engagement in den Sozialen Medien kontraproduktiv für das betroffene Unternehmen. Wichtig ist für jedes Unternehmen, welches in seiner Investor Relations-Kommunikation Soziale Medien einsetzt, dass es über eine wohldurchdachte Kommunikationsstrategie und feste Richtlinien für ein Corporate Wording verfügt. Es kann nicht sein, dass Mitarbeiter in Blogs und anderen Medien einfach und unüberlegt „eben mal darauflos posten“. Diejenigen Mitarbeiter, die an der Unternehmenskommunikation beteiligt sind, müssen von Anfang an in die Kommunikationsstrategie mit eingebunden werden und diese dann auch verstanden und verinnerlicht haben. Ein konsequente Schulung der Mitarbeiter steht aber der Offenheit des Kommunikationsprozesses nicht entgegen. Diese Offenheit besteht darin, dass kritische Statements von Kunden über die Unternehmenpolitik diskutiert werden und dass Anregungen und Inspirationen aufgenommen werden. Das Wichtigste für einen Investor Relations-Verantwortlichen, der sich mit Sozialen Medien befasst, ist sich in die jeweilige Zielgruppe intensiv hineinzudenken. Dazu muss er aber erst einmal diese Zielgruppe und deren Denkweisen intensiv beobachten. Und das kostet viel Zeit und Mühe. Aber der Aufwand lohnt sich.